(2) Musikalische Notation und der überlieferte Kern einer Tradition

Auf der zweiten Stufe der Gesangskunst geht es vor allem um die orthodoxen Formen einer musikalischen Gedächtniskunst – das, was als verbürgte Tradition überliefert wird. Diese Formen lassen sich heute nur indirekt aus liturgischen Handschriften erschließen. Sie verleiten zu der Annahme, daß durch sie die notierte Musik als anerkannte Tradition und als allgemein verbindliche Praxis überregional verbreitet wird.

Falls diese Annahme zutrifft, stellt sich die nächste Frage, welche Formen der Gedächtniskunst ermöglichen, die jeweilige Form der Notation zu lesen, und wer diese Formen wirklich beherrscht hat. Einige Nachrufe, die auf Kantoren im 11. Jahrhundert geschrieben wurden, betonen die drei Kompetenzen der Schriftlichkeit, durch die sich ein Kantor gegenüber den ihm unterstellten Sängern ausgezeichnet hat: Lesen, Schreiben und Notieren.[6] Ein Kantor als „Leser“ (lat. lector) hätte demnach die Aufgabe, die schriftliche Überlieferung, wie sie sich aus der Form der Notation ergibt, über Praktiken der Gedächtniskunst in eine schriftlose Überlieferung umzuwandeln – entsprechend der theologischen Forderung „mit dem Herzen zu singen“ (cantare cum corde). Den meisten Sängern war Notation nicht vertraut und sollte es auch nicht sein. Daraus muß nicht zwingend geschlossen werden, daß sie ungebildet waren, vielmehr stand im Gottesdienst als Moment innerer Kontemplation eine andere Bildung im Vordergrund, von der wir heute nur sehr unzureichende Kenntnisse haben: die Gedächtniskunst. Ein Vergleich griechischer mit lateinischen Musikhandschriften, der dieser Arbeit zugrundeliegt, kann dazu anregen, auch den Gebrauch lateinischer Musikhandschriften und ihrer Notationsformen grundsätzlich zu überdenken.

Die Übersetzung von schriftlicher in mündliche Tradition

Die Umwandlung der schriftlichen in mündliche Überlieferung oder umgekehrt, die hierbei zum Metier des Kantors gehört, könnte auf mehreren Ebenen reflektiert werden:

Die eine Ebene möchte ich als „strukturelles und analytisches Denken“ bezeichnen – sie betrifft das, was als kognitives Raster beim Hören eines Gesanges zugrundeliegt.[7] Diesem Hören entspricht ein Lesen (lat. lector) mit einem optischen kognitiven Raster. Die Notation steht daher nicht für sich selbst, sondern auch ihre Form entsteht auf der Grundlage eines kognitiven Rasters beim Hören, wenn z.B. das gehörte notiert wird (lat. notator). Zunächst geht es um den Weg des Lesens, soweit er sich aus lateinischen Notationsformen ablesen läßt: Ein lesender Kantor wird Neumengruppierungen in der Notation finden, die je nach „Neumendialekt“ einer Schreibschule mehr oder weniger mit Ornamentzeichen versehen sind. Aus diesen Gruppierungen werden kurze Abschnitte herausgelesen, die als kleinste faßbare Einheiten eingeprägt und als solche über den Gesang weitervermittelt werden können. Die Gedächtniskunst folgt hierbei einem doppelten Gebot: Teile in wenige Einheiten und so oft, daß am Ende kurze faßliche Einheiten gefunden werden.[8] Hinweise über dieses segmentierende Lesen geben in lateinischen Handschriften Tropierungen einstimmiger Gesänge, bei denen z.B. Melismen durch tropierte Worte segmentiert und über die einzelnen Silben Ton für Ton memoriert werden. Andere Gruppierungen prägen sich beim Hören über spezifische Ornamente ein, akustisch beschreibbar als Amplituden- oder Frequenzmodulation prägen sie das kognitive Raster des Hörens.[9] Die faßbaren Einheiten werden über mehrere übergeordnete Ebenen zu einer Vorstellung eines formalen Gesamtablaufs zusammengesetzt, dessen oberste Ebene zunächst als die grobe formale Gliederung eines Gesanges gedacht werden kann, wie sie sich aus der poetischen Struktur des Textes ergibt.[10] Wird die spirituelle Ebene der Gedächtniskunst miteinbezogen, könnte auch der rituelle Ablauf des Gottesdienstes, in dem jeder Gesang seinen Platz hat, als oberste Ebene betrachtet werden.

Zwischen der Form des Gesanges und den faßbaren Einheiten liegen übergeordnete Strukturen, wie das gegebenenfalls tropierte — Melisma, Wörter oder Wortkombinationen und grammatisch-syntaktische Einheiten des Textes mit ihren Ebenen membrum, distinctio und periodus bilden, wie sie bereits in der ältesten Schrift überliefert wird, wo die Interpunktion des Textes durch Lektionsformeln wiedergegeben wird. Die Umsetzung in der Gesangskunst geschieht über musikalische Einschnitte durch die Kadenzformeln einer Tonart, die wiederum nach Gattung des Gesanges differenziert werden. Über dieses Verfahren können auch Gesänge über einen Text „komponiert“ werden oder in solistischen Gesängen neue Wege zwischen zwei Wegweisern gegangen werden. Es geht daher um eine bewußte Re-Konstruktion, Gesang als eine weitere poetische Gestaltung des Textes, im Unterschied zu einer mechanischen Reproduktion, die von den Lehrern der Gedächtniskunst strikt abgelehnt wurde.

Diese beiden Möglichkeiten, das Memorieren und Auffassen von Musik bis zu einer Genauigkeit, einen Gesang Note-für-Note zu erlernen, und die Entlastung des Gedächtnisses durch die poetische Idee, grammatische Einheiten des liturgischen Textes über musikalische Einheiten aufzufassen, schaffen den Freiraum, über zwei Wege zu den faßbaren Einheiten der untersten Ebene zu gelangen: als Ausgestaltung der Gliederung (lat. dispositio) über die Erfindung (lat. inventio), oder die über eine Erinnerung, die von der obersten Ebene ausgehend sich über immer mehr Ebenen verzweigt, bis sie am Ende zu einer kurzen prägnanten Einheit findet, z.B. einer fünftönigen Phrase als Teil eines Melisma oder ein syllabisch vertontes Wort, an dessen Ende ein schwacher formaler Einschnitt gebildet wird. Der poetische Weg der inventio könnte als orthopraktische Form, der Weg zur Erinnerung der kleinsten faßbaren Einheit als orthodoxe Form der Gedächtniskunst verstanden werden.

Die Überlieferung durch byzantinische Notation im Unterschied zur lateinischen

Gegenüber der präzisen Ton-für-Ton-Überlieferung, wie sie sich über die lateinische Notation rekonstruieren läßt, bei der sich fast ausschließlich orthodoxe Formen der Gedächtniskunst behaupten, zeigen byzantinische Notationsformen eine „sanftere“ Form der Überlieferung: Bei der Notation wird darauf verzichtet, Musik Note für Note aufzuschreiben, sondern die Musik wird gleich auf einer höheren Ebene als Gerüst notiert, so daß besonders frühere Quellen keine philologischen Studien stilistischer Unterschiede zulassen. In der Praxis kann der Melos in einer homogenen Form nach dem Stil einer regionalen Schule geprägt sein, ohne durch eine schriftliche Redaktion gestört zu werden. Die letzte Ebene der faßbaren Einheiten wird daher erst durch die Auflösung der „cheironomischen Zeichen“ (Ypostaseis) erreicht, die ganz Phrasen des Melos abkürzen. Der Melos wird damit Teil einer mündlichen Überlieferung, und nur wer mit dieser oder einer vergleichbaren Überlieferung vertraut ist, kann die Musik, die in der Handschrift notiert wurde, aus den Zeichen herauslesen.

Das, was eigentlich mehr erstaunen müßte, wenn es heutigen Lesegewohnheiten nicht so sehr entspräche, ist die kulturelle Leistung der karolingischen Notatores, die in den frühen Neumen der lateinischen Handschriften zu finden ist. Im Unterschied zu den byzantinischen Kantoren haben sie eine Notenschrift geschaffen, die es erlaubt, verschiedene Traditionen des Melos auch den Kantoren zu überliefern, die mit ihnen nicht vertraut sind – dank dieser Notenschrift ist es sogar möglich, Gesänge in eine fremde Tradition zu verpflanzen, die nicht mit dem jeweiligen Melos vertraut ist.

Die byzantinische Notation wendet sich dagegen an ein Körpergedächtnis, wie es sich nur innerhalb einer einheitlichen Melos-Tradition ausprägen kann: Modale Formeln, wie Ansing- und Kadenzformeln, kommunizieren formale Übergänge. Sie müssen beim Lernen der Gesänge nicht memoriert, sondern nur aus dem Gedächtnis abgerufen werden. Da diese Formeln immer gleich sind, schaffen sie Raum für strukturelle Entscheidungen und kommunizieren diese Entscheidungen. Für den ausgebildeten Sänger ist daher nicht die Frage wichtig, wie die Formel geht, sondern wo und wie der Übergang zu ihr geschaffen wird. Es ist daher erst das Formelhafte, das den Raum zur Kommunikation öffnet. Die Kreativität (inventio) spielt sich dazwischen ab, indem eine getroffene formale Entscheidung gestaltet wird.

Es gibt daher einen grundsätzlichen Unterschied in der byzantinischen und in der lateinischen Notation von Musik und ihr entsprechen unterschiedliche Formen des Lesens, die zum Metier eines griechischen Kantors (Prōtopsaltīs, Domestikos, Lampadarios) gehören. Diese Unterschiede korrespondieren mit einer mündlichen Überlieferung, die in verschiedenen Verhältnissen orthodoxe und orthopraktische Formen der Gedächtniskunst mischt, um die Musik ohne Schreibunterlage an andere Sänger weiterzugeben. Theoretische byzantinische Quellen aus dem 15. Jahrhundert, die sich hierzu äußern, unterscheiden je nach Gesangsgattung mehrere Methoden der Thesis und kritisieren bereits die Ignoranz einiger Sänger, die offenbar den Unterschied zwischen dem notierten Gerüst und dem Gesang nicht mehr verstehen und damit die verschiedenen Methoden der Thesis auch nicht mehr auseinanderhalten können.[11]

Der byzantinische Weg läßt sich daher über Musikhandschriften so rekonstruieren: In der byzantinischen Notation wird nur das Gerüst notiert, die Formeln müssen als Melos erst darauf angewandt werden. Regionale und historische Ausprägungen des Melos werden durch diese Notation nicht überliefert und können nicht studiert werden. Eine präzise mündliche Überlieferung ist für den Melos von chorischen Gesängen anzunehmen (orthodoxe Funktion), größere Gestaltungsfreiheit scheint dagegen für den Melos in solistischen Gesängen möglich zu sein. Die Melodiebildung als „Thesis des Melos“ setzt strukturelles Denken voraus, das dem Kantor überlassen wird und damit Teil des Lesens ist. Da diese Lesekompetenz heutigen Philologen fehlt, kann sie nur über das Spannungsfeld analysiert werden, das bei der Anwendung des heutigen Melos entsteht, wenn die Thesis z.B. des Doxastikon oktaīchon auf der Grundlage eines Stichīrarion aus dem 14. Jahrhundert gebildet wird – wie es Sänger des 18. und 19. Jahrhunderts getan haben, die mit der spätbyzantinischen Notation noch vertraut waren.[12] Bis zur Einführung der modernen Neumennotation und des Notendrucks um 1814 blieb der Melos die Angelegenheit eines Kantors und einer regionalen Schule, der er angehörte.

Die Mischung von orthodoxen und orthopraktischen Funktionen der Gedächtniskunst ist entsprechend der Gesangsgattung zu unterscheiden und nach der rein praktischen Frage, ob mehrere Sänger koordiniert werden müssen oder ob die Gesangskunst eines solistischen Sängers im Vordergrund steht. Ich möchte zunächst auf die orthodoxen Formen eingehen: Damit die Sänger bei einer chorischen Aufführung nicht gleich in ein heilloses Durcheinander geraten, muß es eine eindeutige und formelhafte Art geben, die cheironomischen Zeichen aufzulösen. Die Interpretation der Cheironomies geht davon aus, daß der Vorsänger eines Chores eines dieser Zeichen dirigiert, worauf der Chor eine entsprechende Formel des Melos gesungen habe.[13] In diesem Fall kommuniziert nicht die Formel, wie Kadenzformeln kommunizieren, sondern eine Formel als solche wird durch ein Handzeichen kommuniziert. Neben einer Note-für-Note-Überlieferung, wie sie anhand der westlichen Technik, Melismen zu tropieren, beschrieben wurde, gibt es auch byzantinische Hymnen, die anhand von melodischen Modellen gedichtet werden. Das Gesangbuch Eirmologion bezieht sich dem Namen nach auf ein melodisches Modell, das Eirmos genannt wird. Dieses Modell überliefert nicht nur die Silbenzahl, sondern auch das komplexe strophische Metrum einer Ode, die zu einem Zyklus von 8 oder 9 Oden, dem Kanōn der Oden, gruppiert werden. Anhand dieser Modelle werden Hymnen gedichtet. Auch in arabischen, persischen und hebräischen Schriften finden sich Texte mit dem Hinweis, daß sie zu der Musik eines bekannten melodischen Modells gesungen wird, indem der Textanfang genannt wird, über den das Modell erinnert wird. Dieser poetischen Praxis entspricht eine besondere Form des Lesens, aus Textbüchern heraus einen Text vorzutragen, indem der Sänger einem melodischen Modell in seinem Gedächtnis folgt, und diese ist bis heute erhalten geblieben. Sie erklärt, warum Hymnendichter wie Iōannīs von Damaskus gerade deswegen als Erfinder der griechisch-orthodoxen Kirchenmusik und ihres Tonartensystems gelten, da sie als Komponisten von Modellstrophen zugleich auch einen Melos geschaffen haben, das eindeutig entsprechend der Tonartenordnung des Buches einem īchos zugeordnet wird. Diese Modelle sind in ihrer musikalischen Gestaltung komplexer als die byzantinische Psalmodie, mit denen seit der frühchristlichen Zeit die biblischen Oden oder Cantica rezitiert werden, als Gebete aus den griechischen Übersetzungen des alten Testaments – ganz zu schweigen von den einfachen und monotonen Formen der karolingischen Psalmodie. Dem Inhalt nach werden diese Bibeltexte von den eirmologischen Hymnendichtern paraphrasiert, wobei sie in der metrischen und melodischen Gestalt dem musikalischen Modell eines Eirmos folgen.

In aufwendiger gestalteten Gesangsgattungen wie die Gesänge des Stichīrarion, aber auch die ausgearbeiteten Gesänge der Messe, in den Büchern Asmatikon, Psaltikon und später Akolouthiai, gibt es Wechsel zwischen mehreren Tonarten, die durch mediale Signaturen bezeichnet werden. Sie gehören zu den modalen Signaturen und heißen „medial“, da sie mit roter Tinte zwischen die musikalische Notation geschrieben werden — im Unterschied zu den Hauptsignaturen, die die Haupttonart bezeichnen.

Dementsprechend interessieren sich griechische Theoretiker eher für die Beziehungen zwischen den Tonarten, über die bei der Gestaltung des Melos besonders elegante Übergänge möglich sind. In diesen Gesängen erweisen sich die Grenzen zwischen orthodoxen und orthopraktischen Formen der Gedächtniskunst als fließend. Das notierte Gerüst kann als Brückenpfeiler verstanden werden, die im Fluß des Gesanges zwischen den durch mediale Signaturen bezeichneten Tonarten stehen (modale Signatur). Die Brücke zwischen diesen Tonarten aber schafft erst die Thesis des Melos und die Frage nach der Methode der Thesis, also nach der Methode der Melodiebildung, führt bereits zu orthopraktischen Formen der Überlieferung, wie sie sich dann in der konkreten Gestaltung eines Gottesdienstes ergeben.

Für die Ebene der Notation ergibt sich ein grundlegender Unterschied gegenüber den lateinischen Neumen. Die Tonart und bestimmt maßgeblich die Gestaltung des Melos, d.h. das in den Tonneumen notierte Gerüst bezieht sich ausschließlich auf die modale Signatur, durch die eine Tonart und ihr tonales Zentrum feststeht.

Die Überlieferung durch lateinische Notationsformen

Der gregorianische Weg, wie er sich aus der frühen Neumennotation des späten 9. und des 10. Jahrhunderts ablesen läßt, führt in eine ganz andere Richtung: Zunächst wird der Melos ausgeschrieben, da verschiedene regionale Traditionen zusammen mit ihrem Melos in einem gigantischen Repertoire zusammengeworfen werden. Diese detailgenaue Notation ermöglicht im Sinne der Reform eine überregionale Verbreitung von Gesängen — auch unter Kantoren, die den jeweiligen Melos nicht kennen, sofern sie die diastematische Gestalt der Gesänge schriftlos memoriert haben.[14] Die Bestimmung der Tonart erfolgte erst auf dieser Grundlage in einem zweiten Schritt, der durch nachträglich eingenähte Tonare oder später eingefügte modale Signaturen in den Handschriften bis ins 12. Jahrhundert bezeugt ist.

Das Tonar versucht daher von außen, neue Memoriertechniken den Gesängen aufzupfropfen, um nachträglich Gedächtnishilfen bei der Vermittlung der Gesänge ohne Schrift zu schaffen, indem von einer Tonart des karolingischen Oktōīchos ausgegangen wird, die nicht immer dem Tonartenverständnis des traditionellen Melos entspricht, aus dem heraus der Gesang geschaffen wurde. Dieser komplexe Vorgang erklärt sich erst durch einen Repertoirevergleich, wie ihn Walter Frère zwischen Meßgesängen des byzantinischen Chorbuchs (Asmatikon) mit denen des gregorianischen Meßgesangbuchs Graduale anstellte. Da der Anteil der wechselnden Gesänge des Proprium in der gregorianischen Messe weitaus größer ist, beträgt der Umfang des gregorianischen Repertoires ein Vielfaches, wobei ein Teil der byzantinischen Gesänge mitüberliefert wird.[15] Offenbar werden Gesänge aus verschiedenen regionalen Traditionen, die zum Teil eigene Systeme von Tonarten hatten, übernommen und gemäß der karolingischen Interpretation des Jerusalemer Oktōīchos neu geordnet, indem analytisch versucht wird, jeden Gesang einer der acht Tonarten zuzuordnen.[16] Eine einheitliche Gestaltung des Melos, wie sie für die byzantinischen Gesänge durch die Notation möglich ist, ist innerhalb des gregorianischen Repertoires nur schwer auszumachen, wie ich in den Analysen des zweiten Kapitels zeigen werde.

Dies erklärt erst die herausragende kulturelle Leistung der Kantoren, die an der karolingischen Reform mitwirkten. Sie entwarfen auf der Grundlage des Agiopolitīs ein neues Tonsystem, das gegenüber dem Erbe der antiken Armonikai und seiner Transpositionslehre, wie sie durch Boethius Ptolemaios-Rezeption überliefert waren, stark vereinfacht war und keine Transpositionen des gesamten Tonsystems (gr. metavolī) in der musikalischen Praxis vorsah. Möglicherweise hätte die Komplexität der metavolī, wie sie in einigen byzantinischen Gesängen zu finden ist, das Memorieren der Tonhöhen erschwert. Diese Vereinfachung bildet noch heute die Grundlage für die Schwierigkeiten westlich geprägter Musiker und Wissenschaftler, das Wesen der metavolī in der antiken Musiktheorie und in den orientalischen Traditionen der einstimmigen Musik in ihrer Komplexität zu verstehen.

Das heutige westliche Musikverständnis, wie es an akademischen Bildungsinstitutionen als Musiktheorie vermittelt wird, baut auf der Gleichförmigkeit einer diatonischen Skala auf, die nur mit zwei Schritt- oder Sekundintervallen, nämlich Ganz- (lat. tonus) und Halbton (lat. semitonium), auskommt. Alle diese Vereinfachungen haben ihren praktischen Grund in den Bemühungen karolingischer Theoretiker im 9. Jahrhundert, eindeutige Kriterien zu finden, die jeden Gesang, er mag in der Anlage seines Melos so komplex sein wie einige griechisch-orthodoxe Stichīra, auf eine Tonart festlegen. Die Einfachheit und Kürze der Tonare schaffen ein neues und schnell vermittelbares kognitives Raster, mit dessen Hilfe auch Kantoren am anderen Ende des Reiches innerhalb kurzer Zeit ein gewaltiges Repertoire an fremden Gesängen fassen und vermitteln konnten.

Historiker, sofern sie die Abbildungen von Gregor mit der einflüsternden Taube auf der Schulter und Schreibern hinter einem Vorhang als visuelle Verbreitung einer Legende verstehen, werden sich fragen, woher die vielen „neuen“ Gesänge der karolingischen Reformer, die in den neuen Gradualia stehen, kommen. Die Antwort hierauf können erst Neumenhandschriften geben, die seit dem 11. und 12. Jahrhundert Gesänge überliefern, da erst sie gegenüber den Handschriften der karolingischen Reform in der ersten Phase abweichen und hierdurch Zuordnungen zu regionalen Traditionen zulassen – wie z.B. altrömisch, aquitanisch, mozarabisch und ambrosianisch usw.

Der neue Weg, der in dieser späteren Phase eingeschlagen wird, könnte „anti-gregorianisch“ genannt werden, da neben dem gregorianischen Repertoire regionale Traditionen zum ersten Mal in einem größeren Umfang durch Notation verschriftlicht werden[17] (z.B. die melodiae in den Antifonaria aus Mailand[18], die zusätzlichen griechisch-lateinischen Gottesdienste in den Gradualia von Benevento[19], die andere Fassung des Alleluia. Pascha nostrum zu Ostersonntag in den altrömischen Gradualia[20] und die Anhänge mit Preces und die Prozessionare in gallikanischen Handschriften – vor allem aus Aquitanien und Nordspanien[21]). Einige Traditionen wurden im 12. Jahrhundert über den Cluniazenser Klosterverband verdrängt, wie z.B. die mozarabische Tradition in Spanien im Zuge der Reconquista.[22]

Dies ist der Hintergrund, warum viele Forscher glauben, daß die Gesänge, die während der zweiten Phase zum ersten Mal in musikalischer Notation erscheinen, zu einem Repertoire älterer Traditionen gehören, deren bis dahin mündliche Überlieferung offenbar nicht mehr selbstverständlich war. Wenngleich diese These umstritten ist, was vor allem mit der weiterhin bestehenden Unzulänglichkeit zusammenhängt, die mittelalterliche Notation und ihre Einbettung in die Gedächtniskunst zu verstehen, so ist die Überlegung, daß die Chronologie der Verschriftlichung und der Redaktion durch Notatores noch nichts über die Chronologie der Gesänge aussagt, doch mit einer plausiblen Erkenntnis verbunden, die trotz vieler verzweifelter Versuche bis heute nicht widerlegt werden konnte.[23]

Der Idee einer entgegengesetzten Chronologie folgend, interessierten sich Bruno Stäblein und Michel Huglo schon früh für regionale Eigenheiten und betrachteten sie als Überreste älterer verdrängter Traditionen. Stäblein untermauerte seine These durch Analysen, in denen er diese als Vorstufe zu den gregorianischen Gesängen betrachtete, so daß seine Analysen den Nachweis für die weniger bearbeitete Stufe gegenüber den gregorianischen Gesängen zu erbringen hatten. Diesen Analysen lag eine lineare Zeitvorstellung zugrunde, daß sich Musik stets zu einer größeren Formstrenge hin entwickle.[24]

Anstelle dieser überholten Vorstellung, daß erst der gregorianische Choral die Krone musikalischer Schöpfung sei, setzte ich in dieser Studie meine These, daß die Genialität der römisch-fränkischen Reformer nicht allein in ihrer Bearbeitungs-, Kompositions- und Dichtkunst liegt, sondern vor allem in ihrer Unerschrockenheit, mit der sie ganz bewußt ein großes Repertoire, zusammengesammelt aus verschiedenen Traditionen, über einen theoretischen Kamm geschoren und hierüber die Überlieferung stark vereinfacht haben. Hier liegt das Geniale im scheinbar Selbstverständlichen verborgen.

Was das „künstlerische Ausleben“ und den „Hang zu phantastischer Weitschweifigkeit“ anlangt, wird es gut ausgebildeten Sängern in verschiedenen lateinischen Traditionen auch nach der Reform nicht immer leicht gefallen sein, ihn zu unterdrücken.[25] Ich spreche hier von den orthopraktischen Funktionen der Gedächtniskunst, die auch in der Kirchenmusik ihre eigenen Formen geschaffen hat, die nur solistisch ausgebildeten Sängern vorbehalten war.

Daß hier Neues geschaffen wird, muß nicht notwendiger Weise bedeuten, daß die Sänger hierbei nicht den überlieferten Modellen folgen. Doch kreativere und freiere Ausgestaltungen der Melismen orientieren sich an abstrakteren, aber sehr einfachen Modellen – wie z.B. den Ansingformeln aus den Tonaren. Hierdurch passen Sänger die überlieferten Gesänge immer mehr ihrem kognitiven Raster an, das von den Tonaren bestimmt wird, – und im Zuge dieser Entwicklung prägen sich regionale Unterschiede der Tonare und in ihrer theoretischen Beschreibung des Melos aus.

Anmerkungen

6

Vergleiche hierzu meine Anmerkung 3 im dritten Kapitel.

Ich begnüge mich hier und im weiteren mit der männlichen Form, betone aber entgegen den in verschiedenen Kirchen immer wieder vorgebrachten Vorurteil, daß Kirchengesang Männergesang sei, daß das Gesagte auch auf eine Kantorin und den Sängerinnen in einem Frauenkloster anzuwenden ist – mit Ausnahme von Hildegard von Bingen, die noch im 12. Jahrhundert darauf bestand, ihre Gedächtniskunst unbehelligt vom Medium der Schrift ausüben zu können.

7

Das kognitive Raster ist Ausgangspunkt der Debatte um „Mündlichkeit“. Nach wie vor gelten hier Jeff Pressings Thesen, wie sie Leo Treitler in einem frühen Aufsatz aus den 70er Jahren zusammengefaßt hat:

L. Treitler: Homer and Gregory: The Transmission of Epic Poetry and Plainchant, in: Musical Quarterly 60 (1974), S. 344f. Dieser Aufsatz erschien 2003 in seinem Sammelband “With Voice and Pen” in aktualisierter Form.

Für aktuellere Erkenntnisse in der musikalischen Kognitionsforschung siehe: D. Deutsch: Grouping Mechanisms in Music, in: Dies. (Hg.): The Psychology of Music, San Diego etc. ²1999; S. 299-348.

8

Vergleiche hierzu die Aufzeichnungen zur Gedächtniskunst, wie sie von Hugo de St.-Victore überliefert werden und die sich vor allem auf zwei Grundregeln reduzieren lassen (1. Kapitel; S. 102).

M. Carruthers: The Book of Memory – A Study of Memory in Medieval Culture, in: Cambridge etc. 1990; S. 263f (Hugos Prolog mit einer Einführung in die Prinzipien der Gedächtniskunst ist im Anhang in englischer Übersetzung wiedergegeben). D. Deutsch: Grouping Mechanisms in Music, in: Dies. (Hg.): The Psychology of Music, San Diego etc. ²1999; S. 299-348.

9

D. Deutsch: Grouping Mechanisms in Music, in: Dies. (Hg.): The Psychology of Music, San Diego etc. ²1999; S. 299-348.

10

In der neueren Forschung gibt es hierzu die grundsätzliche Unterscheidung zwischen der vorgegebenen Struktur des Psalm-Verses als „psalmodische Form“ und einer eher kompilierenden und paraphrasierenden Dichtung in der „responsorialen Form“. Peter Wagner hatte in seiner „gregorianischen Formenlehre“ beide Formen noch als zwei musikalische Ausprägungen der „antiphonalen Gattungen“ betrachtet. Einen Überblick über den Stand der Diskussion von 1995 geben einige Seiten in einem Aufsatz von James Grier.

P. Wagner: Gregorianische Formenlehre: Eine choralische Studie, in: Einführung in die Gregorianischen Melodien, Bd. 3, Hildesheim 1962.

J. Grier: Roger de Chabannes (d. 1025), Cantor of St. Martial, Limoges, in: Early Music History 14 (1995), S. 89-108.

Andreas Pfisterer, der mir freundlicherweise seinen neuesten Diskussionsbeitrag durch einen Sonderdruck zugänglich machte, schlägt stattdessen die Unterscheidung zwischen „liedhafter“ und „psalmodischer Form“ vor. Unter „liedhafter Form“ beschreibt er das Responsorium prolixum, welches in den Nokturnen des Nachtgottesdienstes einer Lesung folgt, das Responsorium gradualis, welches der Brieflesung in der Messe folgt, dagegen als eine „psalmodische Form“, da in ihm meist ein Psalmvers in melismatischer Form gesungen wird – vergleichbar mit dem ambrosianischen Psalmellus oder dem byzantinischen Prokeimenon. Interessant für die Diskussion des Melos ist Andreas Pfisterers analytische Beobachtung für die Gradualia, daß die identische Gestalt einiger Melismen am Ende von formalen Einschnitten im Melos verschiedener Tonarten auftauchen kann.

A. Pfisterer: Skizzen zu einer gregorianischen Formenlehre, in: AfMw 63 (2006), S. 145-161; S. 154 (Gradualia, Bspl. 2).

11

Vergleiche hierzu den Traktat von Manouīl Chrysaphīs, dessen Titel „Über die Gesangskunst und über gewissen irrige Ansichten, die einige über sie haben“ bereits das Problem der Ignoranz anspricht, die einige Jahre nach dem Fall von Konstantinopel bereits aufgetaucht ist (zu den Methoden, vergleiche das Zitat auf S. 323).

12

Im Tonar des zweiten Kapitels wird vor allem die Komposition des stichirarischen Melos von Iakovos Prōtopsaltīs als Umsetzung des traditionellen Gerüsts analysiert (S. 147ff), wobei Iakovos’ Thesis in der jeweiligen Tonart die zeitgenössischen Formeln des späten 18. Jahrhunderts verwendete (S. 238f, 262f, 272f, 292f), deren Kadenztöne offensichtlich nicht zum alten Gerüst passen. Aus dieser Spannung heraus beziehen die Theseis des 18. Jahrhunderts ihren Reiz, bei Iakovos im langsamen stichirarischen und bei Petros Peloponnesios im schnellen stichirarischen Melos.

13

Diese Idee wurde von einigen Forschern, die sich mit lateinischer Kirchenmusik beschäftigten, aufgegriffen und so interpretiert, daß jede lateinische Neume ein Handzeichen sei, dem ein Chor folgen könne. Diese These beruht auf einer Anknüpfung an byzantinische Überlieferungsformen, die in ihrer praktischen Umsetzung an der lateinischen Notation scheiterte und daher auch nicht zu überzeugen vermochte.

14

Zu der Entwicklung einer zusätzlichen Tonhöhennotation und die ihnen zugrundeliegenden Monochordteilungen, siehe:

N. Phillips: Notationen und Notationslehren von Boethius bis zum 12. Jahrhundert, in: T. Ertelt u.a. (Hg.): Geschichte der Musiktheorie, Bd. 4 (Darmstadt 2000); S. 293-624.

15

Vergleiche hierzu den Artikel „Asmatikon“ im Glossar dieser Arbeit. Die frühesten Bücher der Kantoren waren Meßantiphonare ohne musikalische Notation und sind erst seit dem späten 8. Jahrhundert überliefert (hierzu die Edition von R. J. Hesbert: Antiphonale missarum sextuplex, Brüssel 1935).

16

Ein Vergleich der aquitanischen Tonare mit dem mittelalterlichen System des Agiopolitīs findet sich im zweiten Kapitel dieser Arbeit. Dieses Kapitel befaßt sich daher mit der ersten Stufe der Gesangskunst.

17

Hierbei sollte zur Kenntnis genommen werden, daß gerade diese Handschriften für Forscher, die ihren Schwerpunkt auf die „Überlieferung des gregorianischen Chorals“ legen und für die das meiste, was ich in der folgenden Klammer anführe, „Kleinvieh“ ist, gerade diese Quellen aus der zweiten Phase als „gregorianischen Weg“ betrachten:

A. Pfisterer: Cantilena Romana – Untersuchungen zur Überlieferung des gregorianischen Chorals, Paderborn etc. 2002.

Für eine übersichtliche Aufarbeitung der Überlieferungsdebatten ist im Rahmen meiner Arbeit kein Platz, daher verweise ich gerne auf diese aktuelle Darstellung, in der die verschiedenen Arten der liturgischen Handschriften, mit denen die „römische Überlieferung“ und die der gregorianischen Meßform einsetzt, fachkundig berücksichtigt werden.

Andreas Pfisterer folgt einer orthodoxen Auffassung von Notenschrift als Medium der gregorianischen Überlieferung und in den Fußstapfen von René Jean Hesbert betrachtet er die beneventanische Überlieferung des gregorianischen Repertoires als besonders zuverlässig (S. 80ff). Da er sich auf das gregorianische Repertoire konzentriert, braucht er nur die Traditionen zu unterscheiden, die an der gleichen liturgischen Ordnung festhalten und dieses Kernrepertoire in einer abweichenden Fassung überliefern: In einer übersichtlichen Quellenliste, in der die Quellen der ersten Phase nur einen kleinen Teil ausmachen, und in seinen Kapitelüberschriften unterscheidet er entsprechend zwischen einer „fränkischen“ und einer „römischen Überlieferung“ und behauptet, damit einer Sprachregelung von Helmut Hucke zu folgen (S. 106). Aber weder vermeidet Hucke den Begriff „altrömisch“ noch neigt er mit seiner These zur „gregorianischen Dekadenz“ zu Pfisterers Idee einer „fränkischen Redaktion“ der römischen Gesänge (vergl. hierzu den Abschnitt über die „altrömische Überlieferung“ im Artikel „Gregorianischer Gesang“ von Hartmut Möller und Helmut Hucke in MGG 2, Sachteil, Bd. 3, Sp. 1615f).

Um Mißverständnisse zu vermeiden, erkläre ich hier noch meinen Gebrauch der Begriffe: Pfisterers „fränkische Überlieferung“, der gregorianische Choral im engeren Sinn, heißt bei mir „gregorianisch“ oder „römisch-fränkisch“, die „römische“ dagegen nenne ich vorzugsweise „altrömisch“ und beziehe mich dabei auf stilistische Analysen (Anm. 20).

18

Hierzu die Interpretation von Augustinus’ Iubilatio im Kontext der erst 800 Jahre später verschriftlichen Antifonaria, in denen gesondert melodiae notiert werden, die als melismatische Einschübe bestimmte Gesänge zu festlichen Anlässen verlängern können (1. Kapitel, S. 43f).

19

Die Antiphone für das Fest Adoratio crucis finden sich sowohl in byzantinischen wie in beneventanischen Handschriften: E. Wellesz: Eastern Elements in Western Chant, in: MMB – Subsidia 2, Reprint: Kopenhagen 1967.

20

Hierzu die altrömische Praxis, das Alleluia – Pascha nostrum zu Ostersonntag zu singen (1. Kapitel, S. 47). Beide Versionen, die gregorianische (S. 279) und die altrömische (S. 294) werden im Tonar in der zweiten Hälfte des 2. Kapitels analysiert.

21

Hierzu die Notenbeispiele für Preces aus dem „Graduale von St. Yrieix“, die aus dem hinteren Teil der Handschrift stammen, die nicht im Faksimile der Reihe Paléographie musicale veröffentlicht wurden – im Abschnitt über die Akklamationen im 1. Kapitel.

22

Zu den politischen Hintergründen der Verdrängung regionaler Eigenheiten und zu dem wachsenden Einfluß des Cluniazenser Ordens auf den Vatikan:

D. Iogna-Prat: Ordonner et exclure: Cluny et la société chrétienne face à l’hérésie, au judaïsme et à l’islam, 1000-1150, Paris 1998.

23

Zu den ideologischen Hintergründen dieser Versuche empfehle ich den Artikel „Choralreform“ von David Hiley, Michel Huglo u.a. (MGG 2,Sachteil, Bd. 2, Sp. 848-863).

24

In seinem Artikel „Gallikanische Liturgie“ wird daraus geradezu eine nationale Charakterstudie, die an die scholastischen Stereotype des 13. Jahrhunderts erinnert: gegenüber der „römischen zuchtvollen Formulierung“ zeichne sich die gallikanische durch „künstlerisches Ausleben“ und einen „Hang zu phantastischer Weitschweifigkeit“ aus, die „dem orientalischen Wesen“ nahestehen (MGG 1, Bd. 4, Sp. 1300). Hier wird an Klischees angeknüpft, die oft mit Komposition gegenüber Improvisation assoziiert werden, zumal orientalische Musiker nicht ganz zu unrecht als Meister in langen Formen der Improvisation betrachtet werden. Ich übersetze mir diese wenig konkreten Stilisierungen als unterschiedliche Grade der Verschriftlichung. Trotz allem bleibt Stäbleins Artikel wegen seiner detaillierten Quellenkenntnisse und der Beispiele, die er für eine der gallikanischen Liturgie nahestehende Überlieferung anführen kann, weiterhin lesenswert (z.B. für die Antiphone vor und nach der Evangelienlesung). Im übrigen sind diese Stereotype keineswegs überwunden, sie wiederholen sich – z.B. in der Gegenüberstellung von solistischen Gesang und Chorgesang:

J. McKinnon: Lector Chant versus Schola Chant: a Question of Historical Plausibility, in: Laborare fratres in unum – Festschrift László Dobszay zum 60. Geburtstag, Hildesheim 1995; S. 201-211.

25

Dieser Hang, musikalische Talente zu unterdrücken, ist durchaus eine anthropologische Studie wert (Kapitel 1, S. 10).