Oliver Gerlach: Hildegard von Bingen und die christliche Kirche im 12. Jahrhundert
Rupertsberger Riesencodex (Wiesbaden, Hessische Landesbibliothek, Hs. 2, fol. 466) - Quelle: http://www.hlb-wiesbaden.de/index.php?dom=1&lang=22&p=261

Hildegard von Bingen
und die christliche Kirche im 12. Jahrhundert

Über den Umgang mit schriftlicher Bildung

Quadragesimo tertio temporalis cursus mei anno, cum celesti visioni magno timore & tremula intentione inhererem. Vidi maximum splendorem, in quo facta est vox de celo ad me dicens: «O homo fragilis et cinis cineris, & putredo putredinis! Dic & scribe que vides et audis!»

Und es geschah in meinem 43. Lebensjahr: Zitternd und voller Furcht wartete mein Geist gespannt. Da sah ich plötzlich einen überhellen Glanz, eine himmlische Stimme erscholl daraus und sprach zu mir: ‚Gebrechlicher Mensch, Du Asche, Du Moder, sage und schreibe, was du siehst und hörst!’[1]

Das Schreiben hat die Mystikerin anderen überlassen, denn sie konnte es mit ihrer Gedächtniskunst nicht vereinbaren, alphabetisiert zu werden – ganz zu schweigen vom Notieren ihrer Gesänge. Die Abbildung zeigt eine Illumination aus der Salemer Handschrift mit Hildegards Scivias, wo sie und ihr Sekretär deutlich in zwei Welten getrennt sind (Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Sal. X 16, fol. 3’). Während Hildegard mit mosaischen Attributen ausgezeichnet ist, sitzt der Schreiber in einer Klause (einem Beichtstuhl?) und schreibt ihre Visionen auf.

Damit widersprach sie einer neuen, im 12. Jahrhundert noch jungen Auffassung von Bildung, die im lateinischen Wort «litteratus» deutlich ausdrückte, daß sie an Schriftlichkeit ausgerichtet war. Bildung war in dieser Zeit aber keineswegs so sehr an Schrift gebunden, daß Hildegards Selbststilisierung als «illitterata» oder auch «ignota» als „ungebildet“ zu verstehen ist. Wie viele adelige Frauen, die im Kloster ausgebildet waren, genoß sie eine hohe und überdurchschnittliche Bildung und letzten Endes wurde Klugheit (prudentia) im 12. Jahrhundert daran gemessen, was jemand im Gedächtnis hatte, wo sich persönliche Erfahrung mit Bildung verbindet, die das Gerüst dafür bildet, wie die Vergangenheit erinnert wird und wie sich diese Erinnerung auf das eigene Handeln in der Zukunft auswirkt. Dieser Zusammenhang war besonders Klerikern, deren Handwerk die Gedächtniskunst war, präsent und auch Hildegard, die nicht selbst schrieb, sondern schreiben ließ (in allgemein lesbarer Schrift wie in einer Geheimschrift, die sie für eine lingua ignota verwandte, wie hier auf Folio 461 verso im Riesenkodex zu erkennen ist), kannte die theologischen Schriften, die sie memoriert hatte, und verfaßte über ihr Skriptorium Briefe an berühmte und mächtige Adressaten wie Bernhard von Clairvaux, Papst Eugen III. und Alexander III. und König Barbarossa, in denen sie ohne Zweifel versuchte, sich auch in weltliche Politik einzumischen.

Visionen

Das Fundament für dieses ungewöhnliche Selbstbewußtsein hatte sie wahrscheinlich schon in jungen Jahren erhalten, als sie neben Uda von Göllheim von einer Eremitin Jutta von Sponheim, die verwandt mit ihr und nur 6 Jahre älter war, erzogen wurde. Hildegard und Jutta ließen sich 1112 in einer Eremitage Disibodenberg einmauern, wodurch ihre Klausur zu einer Attraktion für reisende Pilger wurde und die Einsiedelei bald zu einem Kloster ausgebaut werden konnte. Jutta unterrichtete Hildegard seit deren Eintritt als Oblatin ins Kloster mit 8 Jahren (1106). Hildegard behauptete von sich selbst, daß sie ihre ersten Visionen mit 15 Jahren hatte, also kurz nachdem sie eingemauert worden war. Kurz nach dem frühen Tod von Jutta von Sponheim wurde Hildegard 1136 zur Oberin gewählt und mit dem Unterricht der neuen Klosterschülerinnen betraut. Unter erheblichen Widerstand, denn sie hatte die Abtei Disibodenberg populär gemacht, konnte Hildegard durchsetzen, daß sie zwischen 1147 und 1150 ein eigenes Kloster auf dem Rupertsberg mit zwanzig anderen Nonnen beziehen konnte. Ihre Schreiber waren ihr Beichtvater Probst Volmar und die Nonne Richardis von Stade.

1141 ließ sie ihre Visionen erstmals im Scivias („Wisse die Wege“) aufschreiben. Es existiert ein Briefwechsel zwischen ihr und Bernhard von Clairvaux, die die Legitimation dieser Schrift betrifft. Eine kritische Edition ihrer Briefe ergab, daß die ursprünglich eher kurze und höflich ausweichende Antwort Bernhards und die Reihenfolge der Briefe — möglicherweise erst nach ihrem Tode — im Riesenkodex verändert wurde. In vielen Biographien wird das so dargestellt, daß Papst Eugen III. ihre Schriften anerkannte, indem er Teile des Scivias auf der Synode von Trier 1147 verlesen ließ und bestimmte, daß sie in Zukunft alle ihre Visionen niederschreiben läßt. Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Das Verlesen theologischer Schriften war auf Synoden nicht unüblich, wenn es um die Frage ging, ob sie als Häresie zu verdammen seien. Probst Volmar als Beichtvater und Sekretär wurde offenbar dazu eingesetzt, um die Visionen Hildegards zu beaufsichtigen und sie zu kontrollieren. Damit war die Sache gut für Hildegard ausgegangen, denn ihr Brief an Bernhard von Clairvaux war durchaus gewagt. Abgesehen von den konventionellen Demutsformeln hatte sie Bernhard als „geistlichen Kreuzritter“ angeredet. Im Widerspruch zu seiner strengen Reform der Zisterzienser, die als Gegenbewegung zu den mächtigen und in die Kreuzzugspolitik verwickelten Cluniazensern gegründet wurden, folgte Bernhard in der Politik weitgehend den Cluniazensern: Eugen III. war als Zisterzienser Papst geworden und machte Bernhard zum mächtigsten Mann seiner Zeit, der sich ebenso sehr in die Kreuzzüge einmischte, wie es vor ihm Adlige über den Cluniazenser Klosterverband getan hatten. Hildegards Anrede war wahrscheinlich keineswegs ablehnend gemeint, denn als spätere Beraterin von Friedrich Barbarossa verfolgte sie ähnliche Ambitionen, aber „bescheiden“ waren höchstens die konventionellen Formeln in ihrem Brief.

Hildegards Visionen waren zu originell und ihre Vorbilder lagen zu sehr außerhalb des 12. Jahrhunderts, um über die üblichen patristischen Referenzen legitimiert werden zu können. Das Gleiche gilt für ihre Gesänge und insbesondere für ihren liturgischen Rahmen, über den wir heute nicht viel wissen. Offenbar hatte ihre neugegründete Abtei eine sehr originelle wie extravagante Liturgie, was von der Kirche nur zum Teil gebilligt wurde. Als Äbtissin wurde sie mehrfach dafür kritisiert, die Ausübung der Askese nicht mit der nötigen Strenge zu verfolgen, zu viele Reichtümer anzuhäufen und nur Adelige in ihr Kloster aufzunehmen. Diese Kritik wäre aber gegenüber vielen Abteien ihrer Zeit berechtigt gewesen: Die meisten Abteien nahmen nichtadelige Mönche nur als bärtige Mönche auf, die sich um die Landwirtschaft zu kümmern hatten, die Klostergemeinde durch ihre Arbeit ernährten, aber die Abteikirche nicht betreten durften.

Gesang als Seelenreise

Als die Nonnen von Hildegards Abtei 1178 einen angeblich exkommunizierten Mann auf dem Kirchhof von Disibodenberg bestattet hatten, nahm man diesen Verstoß als Anlaß, um den Nonnen vom Rupertsberg das Singen der Liturgie ganz zu untersagen. Hierdurch ist ein Brief Hildegards erhalten, in dem sie ein Argument von Iōannīs Chrysostomos verwendet, daß der Gesang nicht nur den Gottesdienst schmücke, sondern daß es vielmehr in der menschlichen Natur liege, einen unmittelbaren Kontakt zu der himmlischen Liturgie der Engel zu suchen:

Die körperliche Reaktion auf die Musik ist ein Zeichen für die himmlische Abstammung des Menschen.[2]

Im Brief, der das Verbot wieder aufheben konnte, verankert sie diesen Gedanken in einer Seelenlehre, in der die Musik mit ihren Proportionen den Weg zum Schöpfer weise. Höhere Fakultäten der Seele seien daher imstande, in entrückten Visionen den „himmlischen Klang“ zu hören und die Notation sei nur eine Krücke, um diesen Eindruck in die konventionelle und formelhafte Sprache des liturgischen Gesanges zu übersetzen.

Hildegard verteidigte den Gesang als Form des Gebetes mit den gleichen Argumenten, die ihn zumindest im repräsentativen Kathedralritus der Agia Sophia von Konstantinopel ins Zentrum des Gottesdienstes rückten, der einige Jahrzehnte nach Hildegards Tod mit der Eroberung durch westliche Kreuzfahrer endgültig aus der Stadt verschwand. Iōannīs Chrysostomos argumentierte mit den Engelschören, wie sie im Buch des Propheten Jesaja (6,1-3) beschrieben werden:

Ἄνω στρατιαὶ δοξολογοῦσιν ἀγγέλων· κᾶτω ἐν ἐκκλησίας χοροστατοῦντες ἄνθρωποι τὴν αὐτὴν ἐκείνοις ἐκμιμοῦνται δοξολογίαν. Ἄνω τὰ Σεραφὶμ τὸν τρισάγιον ὕμνον ἀναϐοᾷ· κάτω τὸν αὑτὸν ἠ τῶν ἀνθρώπων ἀναπέμπει πληθύς· κοινὴ τῶν ἐπουρρανίων καὶ τῶν ἐπιγείων συγκροτεῖται πανήγυρις· μία εὐχαριστία, ἕν ἀγγαλλίασμα, μία εὐφρόσυνος χοροστασία.[3]

Oben lobpreisen Heerscharen der Engel, unten lobsingen Versammlungen von Menschenchören denselben Preisgesang. Oben jubeln die Seraphim den Dreimalheiliggesang, unten sendet denselben Gesang die Menschenmenge empor; eine gemeinsame feierliche Versammlung der himmlischen und irdischen Welt kommt zusammen; ein Zusammentreffen, ein Frohsinn, ein Freudenchor.

Hildegard von Bingens Cherubimhymnus:
«O virtus sapientie»

In Hildegards Antiphon O virtus sapientiae, die wir für den Dialog ausgesucht haben, haben wir tatsächlich so etwas wie den privaten Cherubimhymnus der Mystikerin, denn sie beschreibt die Weisheit in der Form der Engel, deren Flügel in alle Richtungen weisen. Was Hildegard über das Alte Testament aus dem Bildervorrat der jüdischen Merkābā-Mystik übernommen hatte, bei dem nicht ganz klar ist, wo die Seraphim anfangen und die Cherubim aufhören, ergänzte sie mit ihrer Kenntnis der lateinischen Übersetzung der „Himmlischen Hierarchien“ des Pseudo-Dionysios, eines Schlüsselwerkes zum Verständnis der göttlichen Liturgie im weltlichen Ritus des byzantinischen Reichs.

Die lateinischen Kleriker des 12. Jahrhunderts kannten diese Schrift aus einer Rezeption des 9. Jahrhunderts, die mit dem diplomatischen Geschenk des Kaisers Michaīl III. beginnt, als sich die Beziehungen zwischen dem byzantinischen und dem Frankenreich unter Karls Sohn Ludwig den Frommen wieder entspannten. Bei der Gelegenheit gelangte auch der griechische Cherubimhymnus in die lateinische Liturgie, nämlich in die Missa greca der Abtei Saint Denis, die fortan zu Ehren des Patrons gelesen wurde, da er neuerdings auch mit dem griechischen Kirchenvater gleichgesetzt wurde. Abt Hilduins Übersetzung war allerdings so unverständlich, daß Ludwigs Nachfolger Karl der Kahle einige Jahre später den irischen Mönch Johannes Scotus Eriugena an die Palastakademie berief, der den griechischen Traktat „Über die himmlischen Hierarchien“ zwischen 862 und 875 übersetzte und in diesen Jahren auch eine eigene Philosophie entwickelte, wie der Traktat zu verstehen sei. Sie blieb die wichtigste Übersetzung, bevor im 13. Jahrhundert Thomas Aquinas, Albertus Magnus und Hugo von St. Victor ihre Kommentare schrieben.

Hildegard knüpfte in mehrfacher Hinsicht an Autoren des 5. Jahrhunderts an: in ihrem liturgischen Drama Ordo virtutum an den spätantiken Autor Prudentius und der Gattung Psychomachia, in der allegorische Verkörperungen der Tugenden die Laster in blutrünstigen Kämpfen überwinden. In ihrer Konzeption sind die Tugenden Seelenkräfte, die die Seele zu den höheren Fakultäten finden lassen. In der neuplatonischen Darstellung der Fakultäten durch die Engelschöre, die Pseudo-Dionysios aus der jüdischen Mystik übernahm, gehören die Engelschöre der Cherubim und Seraphim zu der höchsten Ebene der Throne und verkörpern ein Wissen, dessen dialektische Natur über die Grenzen des menschlichen Verstandes herausragt, was durch das Bild eines reinigenden Feuers ausgedrückt wurde, um das sich die Engelschöre bewegen. Im Unterschied zur Klugheit (prudentia), die im Bewußtsein der Erinnerung und Erfahrung verankert ist, liegt die Weisheit außerhalb davon und umspannt mit ihren Flügeln das gesamte Universum.

Es ist letzten Endes keine „Unbildung“, sondern Hildegards Eigenart, sich auf die Einmaligkeit einer persönlichen Vision zu berufen, die dem Traditionsverständnis des lateinischen Mittelalters zuwiderläuft, wo selbst der originellste Einfall dadurch legitimiert wird, daß er einer kirchlich anerkannten Autorität in den Mund gelegt wird. Hierdurch ragt ihre Privatheit, die sie zur Mystikerin machte, auch aus der liturgischen Tradition heraus.

Für eine Antiphon, die innerhalb des römisch-fränkischen Ritus zur einfachsten und schlichtesten Gattung gehört, ist der Ambitus ungewöhnlich groß. Dies korrespondiert mit der Funktion des byzantinischen Cherouvikon, das als eingeschobener Refrain (Troparion, Antiphon) in der poetischen Form eher frei war und auch eine Prozession begleiten konnte — im Fall des Cherouvikon die Prozession der Gaben. Dies gibt einen kleinen Hinweis darauf, welche besondere Funktion dieser Gesang innerhalb eines liturgischen Dramas bekleidet haben konnte.

Da es Hildegard wie kaum einem anderen Menschen ihrer Zeit gelungen war, ihre vielseitigen Talente zu pflegen und ihre Werke in teuren Handschriften niederschreiben zu lassen, kennen wir heute ihren Namen. Viele betrachten sie heute als Heilige, obwohl der gestellte Antrag auf Heiligsprechung vom „falschen“ Papst in Avignon während der „Babylonischen Gefangenschaft“ erledigt wurde. Von daher gilt ihre Heiligsprechung innerhalb der römisch-katholischen Kirche nicht als „kanonisiert“.

Nachdem ihr Sekretär Volmar 1173 gestorben war, nahm sein Platz möglicherweise Guibert de Gembloux ein, der ein fanatischer Verteidiger von Hildegards Ideen war. Einige Philologen schließen nicht aus, daß der Riesencodex noch zu Lebzeiten von Hildegard geschrieben wurde und daß Guibert an seiner Redaktion beteiligt sein konnte. Guibert jedenfalls scheute nicht davor zurück, verpaßte Begegnungen zwischen Hildegard von Bingen und Bernhard von Clairvaux zu erfinden, bei denen er ihr vergeblich hinterherreiste. Das korrespondiert zum Teil mit den Umarbeitungen einiger Briefe im Riesenkodex, aber er bleibt heute einer der wichtigsten Quellen für ihre Gesänge.

Die Betrachtung der Krücken der Notation drückt aber weniger einen „Kompositions-“ oder „Schaffensprozeß“ als das distanzierte Verhältnis zur Schrift aus, das Hildegard pflegte und das sie keinesfalls davon abhielt, sich überall dort der Schrift zu bedienen, wo sie großen Nutzen davon haben konnte. Das negative ästhetische Urteil, das einige musikwissenschaftliche Philologen über ihre Musik fällten, die ihre Kompositionen allzu formelhaft befanden, liegt eher in einer modernen Notengläubigkeit begründet, die mit dem letzten Endes schriftlosen Wesen der Überlieferung nichts anfangen kann. Diejenigen, die mit der musikalischen Phantasie wage und diffuse Vorstellungen verknüpfen statt sie auf dem Fundament eines Handwerks (Kenntnisse des Melos und der zeitgenössischen Formen, einen Gesang solistisch zu gestalten) zu gestalten, werden vielleicht besser daran tun, sich mit dem Singen dessen zu begnügen, was in den Noten steht, und sie werden es anschließend als „formelhaft“ bezeichnen, solange sie nicht verstehen, daß mit diesen Formeln für andere Sänger formale Übergänge kommuniziert werden. Andere, solange sie Schritt für Schritt der notierten Überlieferung folgen, werden im Laufe der Aufführung die Formeln so beherrschen, daß sie die Krücken der Notation auch am Wegrand liegenlassen können. Jedenfalls ist die Auffassung der Notation einer der großen Fragen der Überlieferung, die bis heute für viele mittelalterliche Musikhandschriften kaum beantwortet werden konnte. Dies gilt auch für die Gesänge Hildegards, bei denen viele aufgrund ihres großen Ambitus für eine solistische Aufführung in Frage kämen.

Anmerkungen

1

Hildegard von Bingen: Anfang des «Scivias» (Wisse die Wege!):

Lateinischer Text zitiert nach der Redaktion in Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Sal. X 16, fol. 6 und mit modernisierter Interpunktion versehen.

Die drastische Sprache der deutschen Übersetzung stammt von Andrea von Ramm.

2

Zitiert nach:

Marianne Richert Pfau & Stefan Johannes Morent: Hildegard von Bingen — Der Klang des Himmels, in: Annette Kreutziger-Herr & Melanie Unseld (Hg.), Europäische Komponistinnen, Bd. 1; Köln [u.a.] : Böhlau, 2005; S. 313.

3

Iōannīs Chrysostomos’ Auslegung von Jesaja (6,1-4):

[1] Καὶ ἐγένετο τοῦ ἐνιαυτοῦ, οὗ ἀπέθανεν Οζιας ὁ βασιλεύς, εἶδον τὸν κύριον καθήμενον ἐπὶ θρόνου ὑψηλοῦ καὶ ἐπηρμένου, καὶ πλήρης ὁ οἶκος τῆς δόξης αὐτοῦ. [2] καὶ σεραφιν εἱστήκεισαν κύκλῳ αὐτοῦ, ἓξ πτέρυγες τῷ ἑνὶ καὶ ἓξ πτέρυγες τῷ ἑνί, καὶ ταῖς μὲν δυσὶν κατεκάλυπτον τὸ πρόσωπον καὶ ταῖς δυσὶν κατεκάλυπτον τοὺς πόδας καὶ ταῖς δυσὶν ἐπέταντο. [3] καὶ ἐκέκραγον ἕτερος πρὸς τὸν ἕτερον καὶ ἔλεγον Ἅγιος ἅγιος ἅγιος κύριος σαβαωθ, πλήρης πᾶσα ἡ γῆ τῆς δόξης αὐτοῦ. [4] καὶ ἐπήρθη τὸ ὑπέρθυρον ἀπὸ τῆς φωνῆς, ἧς ἐκέκραγον, καὶ ὁ οἶκος ἐπλήσθη καπνοῦ.

[1] In dem Jahr, als der König Usia starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen erhabenen Thron, und sein Saum füllte den Tempel. [2] Seraphim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: mit zweien deckten sie ihr Anlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße, und mit zweien flogen sie. [3] Und einer rief zum andern und sprach: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Land sind seiner Ehre voll!“ [4] Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens, und das Haus ward voll Rauch.

in Homilia in Isaias 6,1:

Ἔπαινος τῶν ἀπαντισάντων ἐν τῇ ἐκκλησία, καὶ περὶ εὐταξίας ἐν ταῖς δοξολογίαις. Καὶ εἰς τὸ, «Εἶδον τὸν Κύριον καθήμενον ἐπὶ θρόνου ὑψηλοῦ καὶ ἐπηρμένου» [Homilia in laudem eorum, qui comparuerunt in ecclesia, quaeque moderatio sit servanda in divinibus laudibus. Item in illud, vidi dominum sedentem in solio excelso (a) (Isai. 6,1)], in: Jacques-Paul Migne (Hg.): Patrologia graeco-latina, Bd. 56 (1862), Sp. 97-107 (Sp. 97).