Oliver Gerlach: Im Labyrinth des Oktōīchos - Das Labyrinth im einstimmigen Gesang: (3) Beginn der Übung in der kalophonen Kunst, das Stichīron «TΩ TPITTΩ» zu singen

Das Stichīron τῷ τριττῷ τῆς ἐρωτήσεως als poetischer und musikalischer Gegenstand der Gesangskunst

Auf einer Konferenz in Weimar 2003 hatte ich zwei Gesänge verglichen, die am 29. Juni zur Matutin in Paris und zum Orthros in Konstantinopel gesungen werden können: Das Organum über das Responsorium «Petre amas me» im E-Modus (autentus deuterus, tonus tertius) aus dem letzten Teil des Vatikanischen Organumtraktats und ein Stichīron kalophōnikon über den Beginn des Stichīron τῷ τριττῷ τῆς ἐρωτήσεως τῷ πέτρε φιλεῖς με im ἦχος τέταρτος — zwei Kompositionen, die sich auf die gleiche Episode im Johannesevangelium beziehen (21:15-17) und an Festen zu Ehren des Apostel Petrus gesungen werden.[35]

Bereits ein Vergleich, wie die traditionellen Formen den im Evangelium überlieferten Text behandeln, bezeugt eine größere dichterische Freiheit im griechischen Stichīron, während das lateinische Responsorium dem Wortlaut der Vulgata-Übersetzung folgt, ohne dem Text etwas wesentliches hinzuzufügen. Das Stichīron, so wie es in den „alten“ Stichīraria überliefert wird, ist als poetische Form sehr viel länger und erst seine Verkürzung im Stichīron kalophōnikon, das nur über die ersten Verse komponiert ist, bringt es auf eine ähnliche Länge wie die des lateinischen Textes, der im Responsorium vertont wird:

δ’(G) τῷ τριττῷ τῆς ἐρωτήσεως τῷ πέτρε φιλεῖς με· πλ β’(E)
τὸ τρίτον τῆς ἀρνήσεω-ς· α’(a)
ὁ χριστὸς διορθώσατο· νανα(F)
διὸ καὶ πρὸς τὸν κρυφιογνώστην ὁ σίμων· πλ δ’(C)

Diese ersten vier Zeilen oder, bezogen auf die Interpunktion im alten Stichīrarion, Kola umfaßt das erste von drei Stichīra kalophōnika in der Sammlung des Stichīrarion kalophōnikon, die das traditionelle Stichīron in drei Teile aufteilen. Die griechische Dichtung paraphrasiert den Vers 17 aus dem Evangelion des Iōannīs und besingt die Weisheit des „richtenden Christos“, der nach seiner Auferstehung entsprechend den Verleugnungen des Petros dreimal fragt: „Petros, liebst du mich?“ und Petros dreimal antworten läßt: „Du weißt, daß ich dich liebe!“ (Io 21:17):

λέγει αὐτῷ τὸ τρίτον, Σίμων Ἰωάννου, φιλεῖς με; ἐλυπήθη ὁ Πέτρος ὅτι εἶπεν αὐτῷ τὸ τρίτον, Φιλεῖς με; καὶ λέγει αὐτῷ, Κύριε, πάντα σὺ οἶδας, σὺ γινώσκεις ὅτι φιλῶ σε. λέγει αὐτῷ, Βόσκε τὰ πρόβατά μου.

Die dreimalige Erwiderung von Jesus: „Weide meine Schafe!“ verleihen Petros seine führende Rolle im Kreis der Jünger und machen ihn zum Prototyp des Priesters.[36] Am 29. Juni, dem Fest von Petrus und Paulus, sind bestimmte Stellen aus den Evangelien präsent und bilden einen Kontext für die im Stichīron besungene Weisheit — darunter auch jene aus Matthaios (Mt 16:19), in der Christus Petrus den „Schlüssel für das Himmelreich“ übergibt, „zu binden und zu lösen, was im Himmel gebunden“ sein wird.[37] Was hier verhandelt wird, ist der unlösbare Widerspruch zwischen der Orthopraxis des Messias und der orthodoxen Funktion des Priesteramtes. Der Verrat an der Orthopraxis gehört damit zur Rolle des Priesters ebenso wie die auf den Verrat folgende Schwierigkeit, die Gemeinde zusammenzuhalten, sie zu hüten und sie zu den „Weideplätzen“ zu führen, wo sie die göttliche Nahrung finden kann.

Die gleiche Idee des „Schlüssels zum Himmelsreich“, der „bindet und löst“, hatte Manouīl Chrysaphīs auf die musikalische Funktion der Phthora übertragen.[38] Sie dient daher als Analogie zum musiktheoretischen Verständnis — und könnte z.B. auf den Wechsel in die φθορά νανὰ am Ende des dritten Kolon bei dem „richtenden Christos“ angewandt werden, dessen Urteil bereits die Verbindung zwischen Priester und Gemeinde aus einem geheimen Wissen heraus bindet und löst.

Bereits an solchen bedeutenden Wechseln wird deutlich, daß auch Stichīra vom „trimodalen Typus“, wie Heinrich Husmann dieses Stichīron klassifiziert hätte, nicht einfach auf ihre Metrophōnia reduziert werden können, sondern daß erst detaillierte Kenntnisse des Melos ermöglichen, aus der Notation des „alten“ Stichīrarion zu singen, indem die Thesis gebildet wird. Denn im alten stichirarischen Melos des ἦχος τέταρτος sind der ἦχος πρῶτος und der triphone ἦχος τρίτος keine Kadenzstufen wie der Mesos des ἦχος πλάγιος τοῦ δευτέρου, sehr wohl aber im ἦχος πλάγιος τοῦ τετάρτου, solange die φθορά νανὰ den Melos der Tonart bindet. Ein Vergleich zweier alter Stichīraria aus dem 12. bis 14. Jahrhundert zeigt die mittelalterliche Überlieferung im alten Stichīrarion.

Die Fassung des Stichīrarion aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhundert ist in paläobyzantinischer Notation, von Gerda Wolfram als „Coislin V“ klassifiziert.[39]

Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. theol. gr. 136, fol. 143’
231: Das Stichīron τῷ τριττῷ τῆς ἐρωτήσεως in einem Stichīrarion aus dem frühen 12. Jahrhundert (Coislin-Notation)

Aufgrund des Gebrauchs der pnevmata für die größeren Intervalle ist eine genaue Bestimmung der in dieser Notation notierten Intervalle nur im Vergleich mit späteren Stichīraria in mittelbyzantinischer Notation möglich — sie ähneln darin vielen lateinischen Schreibschulen, die Neumen „im offenem Feld“ notiert haben.

Das Stichīrarion, das sich heute in der Biblioteca Ambrosiana von Mailand befindet, ist nach Turyn in Konstantinopel von einem Skriptor Leon Padiatīs geschrieben und vom Notator Athanasios Ieromonachos im Oktober 1341 vollendet worden.[40] In einem Aufsatz von Jørgen Raasted wurde es einer Gruppe von Stichīraria zugeordnet, die als eine von Koukouzelīs revidierte Fassung verstanden wird:[41]

Mailand, Biblioteca Ambrosiana, Cod. Grec. A 139 sup., fol. 141‘ (14. Jahrhundert)
232: Revidiertes Stichīrarion aus Konstantinopel (Gruppe A, 1) von 1341

Ein weiteres revidiertes Stichīrarion aus der gleichen Zeit, in das Varianten nachträglich in roter Tinte eingefügt wurden, befindet sich in den Beständen der Musikabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin (Mus. ms. 40587, fol. 157’). Die Auflösung in den ἦχος πλάγιος τοῦ τετάρτου am Ende des Stichīron kalophōnikon erscheint daher nur folgerichtig, denn es entspricht dem klassischen Modell, daß die φθορά νανὰ im ἦχος τρίτος immer in den ἦχος πλάγιος τοῦ τετάρτου aufgelöst werden muß.[42] Von hier aus kann wieder in den ἦχος τέταρτος zurückgefunden werden — zumindest nach den Modellen der παραλλαγή, die Manouīl in seinen Beschreibungen der Phthora NANA vorgibt. Dies ist eine Notwendigkeit, die sich aus der Regel des Labyrinths ergibt, wieder durch alle Wechsel hindurch in die Ausgangstonart der Hauptsignatur zurückzufinden. Diese Regel gilt für das traditionelle Stichīron im ἦχος τέταρτος, nicht aber für die Formen Anagrammatismos und Stichīron kalophōnikon, die nur einem Ausschnitt des Stichīron folgen und in diesem Stichīron den Weg vom Kyrios des Tetartos in seinen Plagios finden muß — und so nicht aus dem Labyrinth herausfindet.

Dies vermittelt bereits eine kleine Ahnung, was Manouīl gemeint haben könnte, als er davon sprach, der große Maïstoros Koukouzelīs sei in seinen „Anagrammatismoi“ „Schritt für Schritt“ dem Stichīron im alten Stichīrarion gefolgt und diese Kunst sei etwas anderes als eine eigene Komposition zu schaffen. Und in Bezug auf diese „Kunst des Anagrammatismos“, genauer gesagt des Stichīrarion kalophōnikon, hatte noch 1802 jener neue Besitzer des Stichīrarion kalophōnikon von den „Lehrstücken der alten (Meister)“ geschrieben, die zur Demonstration der besonderen Freiheit in dieser Kunst dienten.

Was konnten Sänger, die sich in dieser Kunst üben wollten, aus Gavriīls Aufzeichnungen lernen?

Alle Anagrammatismoi oder Stichīra kalophōnika beginnen mit einer langen Einleitung, die mit dem ersten Vokal des Textes spielt. Die Funktion erinnert an einen Teretismos, aber eigentlich handelt es sich um eine ausgeschriebene Hauptintonation, die nicht nur die Haupttonart ἦχος τέταρτος anzeigt, sondern zugleich die Beziehungen zwischen den ἦχοι rekapituliert, zwischen denen nach dem Modell gewechselt werden muß.

Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv, Mus. ms. 25059, fol. 757’-758 (18. Jahrhundert)
Abbildung 233: Der Probegang durch das Labyrinth im Enīchīma des Stichīron kalophōnikon τῷ τριττῷ τῆς ἐρωτήσεως

In dieser Hauptintonation wird der Melos über die Parallagī des gesamten Tetartos ausgedehnt. In der diatonischen παραλλαγή des Trochos zunächst als Übergang zwischen dem diatonischen Melos des ἦχος τέταρτος auf G sol (δι) (roter Rahmen) und dem des ἦχος πλάγιος τοῦ τετάρτου auf C sol (νη) (blauer Rahmen) und seines diatonischen Mesos, dem ἦχος πλάγιος τοῦ δευτέρου auf E mi (βου). Der gelbe Rahmen als Farbe des Tritos zeigt den Wechsel zum anderen Mesos über die Triphōnia der φθορά νανὰ auf F fa (γα), der eigentlich ein Wechsel über den Melos der φθορά ist, d.h. der Wechsel in eine andere παραλλαγή. Entsprechend der bei Manouīl überlieferten Regel wird diese φθορὰ wieder in den diatonischen Melos des ἦχος πλάγιος τοῦ τετάρτου aufgelöst, was durch die Betonung des diatonischen Mesos ἦχος πλάγιος τοῦ δευτέρου auf E mi (βου) erreicht wird. Von hier aus findet die Intonation wieder zu ihrer eigentlichen Bestimmung zurück, die Haupttonart des ἦχος τέταρτος anzuzeigen.

Ein Vergleich mit den medialen Signaturen im alten Stichīrarion verdeutlicht, inwieweit sich die ausgedehnte Hauptintonation auf die Metrophōnia des überlieferten Gerüstes beziehen läßt. Zusammen mit dem Text bilden die medialen Signaturen colores der Interpunktion, sie färben das Ende eines Satzteiles durch den Melos eines ἦχος ein. Am Ende eines Kolon übernehmen sie innerhalb des Weges durch das Labyrinth eine Wegweiserfunktion.

Daraus ergibt sich zugleich eine Disposition der Tonarten zu den φθόγγοι und dies ist eine weitere Funktion der Hauptintonation: Sie zeigt nicht nur die Haupttonart, sondern auch die Beziehungen und die Lage der einzelnen Tonarten – nicht entsprechend der von Oliver Strunk vorgesehenen Disposition, sondern flexibel für jedes Stichīron, dem „Schritt für Schritt“ gefolgt wird. Anhand der medialen Signaturen im alten Stichīrarion aber auch in der Hauptintonation des Stichīron kalophōnikon kann diese Disposition rekonstruiert werden, bei der beide Tonarten des Tetartos eine Quinte tiefer als bei Strunk liegen und damit auch die Tonart des ἦχος τρίτος:

a re (κε)

ανανἔανες

ἦχος πρῶτος

G sol (δι)

ἅγια

ἦχος τέταρτος

F fa (γα)

(νεἅγιε) νανὰ

φθορά νανὰ (ἦχος τρίτος / πλάγιος τοῦ τετάρτου)

E mi (βου)

νἔανες

ἦχος πλάγιος τοῦ δευτέρου

D re (πα)

ανἔανες

ἦχος πλάγιος τοῦ πρώτου / πρῶτος ἔσω

C sol (νη)

νεἅγιε (νανὰ)

ἦχος πλάγιος τοῦ τετάρτου / τέταρτος ἔσω

Der ἦχος πρῶτος am Ende des zweiten Kolon liegt daher in dem Stichīron über dem ἦχος τέταρτος und dem ἦχος τρίτος. Der Weg durch das Labyrinth nach den medialen Signaturen führt vom φθόγγος der Hauptsignatur, einen violetten Raum, vorstellbar als G sol (δι), zu dem φθόγγος des ἦχος πλάγιος τοῦ δευτέρου, den weißen Raum, vorstellbar als E mi (βου). Gemeint ist hier nicht der ἦχος λέγετος als heutige stichirarische Form des ἦχος τέταρτος. Die tiefe Intonation von E mi (βου) im ἦχος λέγετος wird im Stichīrarion kalophōnikon des 18. Jahrhunderts durch eine eigene mediale Signatur angezeigt, die im Stichīron kalophōnikon über den ersten Teil noch nicht verwendet wird — dafür aber im folgenden zweiten.

Um in den anderen Mesos des Tetartos zu wechseln, die φθορά νανὰ auf F fa (γα), wird der Prōtos als Übergang gewählt, der in den alten Stichīraria beim dritten Kolon nicht durch eine mediale Signatur bezeichnet wird. Der Melos wird in den Pentachord des Prōtos geführt. Die metavolī in die φθορά νανὰ vor dem vierten Kolon wird durch das cheironomische Zeichen ξηρὸν κλάσμα (xīron klasma) angezeigt, in der Notation des 12. Jahrhunderts ersetzt die Kombination mit λύγισμα (lygisma) die mediale Signatur, um die φθορά νανὰ als eigenen ἦχος zu bezeichnen, der beim fünften Kolon erreicht ist (siehe Abb. 231: im Faksimile rot gekennzeichnet). Ein Vergleich der verschiedenen Fassungen macht deutlich, daß dasselbe traditionelle Stichīron mit kleinen Varianten überliefert wird — als Gerüst mit Wechseln zwischen den ἦχοι, deren mediale Signaturen die Interpunktion des Textes zu Stationen im Labyrinth der Tonarten werden läßt. Zwischen diesen Stationen wird der Melos gestaltet, um der Musik den grammatischen Zusammenhang zu geben. Die Psaltikī technī ist eine Kunst des Überganges, die sich an der Handschrift aus dem 18. Jahrhundert genauer studieren läßt.

In dieser Kunst werden die einzelnen Orte abgegangen, die durch Tonarten mit ihrem klanglichen Charakter, wie er manchmal in theoretischen Traktaten über Nationen oder sein Ethos charakterisiert wird, markiert werden. In der Gedächtniskunst werden solche Markierungen für gewöhnlich imagines genannt, da von einem visuellen Gedächtnis (ymaginatio) ausgegangen wird, in dem dasjenige, was über den Ort abgerufen wird, über Gedächtnisbilder gefunden wird. Diese Gedächtnisbilder werden für gewöhnlich so gewählt, daß sie starke Affekte evozieren, so daß sie im Labyrinth oder in einer anderen Gedächtnislandschaft eine Beziehung zu Orten schaffen, die dazu verführt, einen Ort aufzusuchen, oder im Gegenteil diesen Ort vermeiden läßt, da ein bestimmter Affekt nur in seltenen und extremen Situationen gesucht wird. Im Fall der Musik und der affektiven Bedeutung, die den Tonarten in der arabischen und persischen Medizin seit dem 13. Jahrhundert zugeschrieben wird, ist sie nicht mehr eine Privatangelegenheit desjenigen, der in einer Kontemplation Gedächtnisorte über eigene Imagines aufsucht, vielmehr werden die Affekte übertragen, denn der Musiker spielt mit den Gefühlen derer, die die Musik hören.


234: Pfad durch das Labyrinth im Stichīron τῷ τριττῷ τῆς ἐρωτήσεως

Wer sich daher dieses Stichīron memoriert, könnte sich dieser semantischen Zuweisungen bedient haben, daß sich z.B. in dieser Weise den Pfad durch das Labyrinth merkt – wie ein roter Faden: ἅγια (ἦχος τέταρτος) für die irdische Situation und im Zyklus der 52 Wochen im Jahr die Tonart der Passionszeit, der Fragende provoziert Petros, indem er so oft fragt wie er verleugnet wurde (τῷ τριττῷ). Die Frage selber «Πέτρε φιλεῖς με;» führt zur Kluft zwischen der himmlischen und der irdischen Welt — νἔανες (ἦχος πλάγιος τοῦ δευτέρου), bis ins 13. Jahrhundert die Tonart des Cherouvikon im Kathedralritus der Agia Sophia. Die traurige Erwiderung des Antwortenden geschieht in der Zeit nach der Auferstehung — ανανἔανες (ἦχος πρῶτος), die erste Tonart und der Beginn des Jahreszyklus mit dem Auferstehungsfest. Die Musik endet auf der vorigen Tonart (ἦχος πλάγιος τοῦ δευτέρου) bei dem Wort τῆς ἀρνήσεως, aber im Schlußmelisma auf der letzten Silbe liegt die Überleitung zur Tonart der ersten Woche, die mit dem Auferstehungsfest beginnt. Im Mailänder Stichīrarion hat Athanasios sie in roter Tinte notiert wie eine mediale Intonation. Petros erhält mit der Aufforderung „Weide meine Schafe!“, die in der Dichtung des Stichīron als „Richtspruch“ interpretiert wird (διορθώσατο), den „Schlüssel für das Himmelsreich“φθορά νανὰ, die Tonart mit eigenem μέλος und eigener παραλλαγή, die hinabführt in den ἦχος πλάγιος τοῦ τετάρτου mit der Formel νεἅγιε νανὰ. In dieser Tonart wird das Kratīma eingeführt, so daß die Phthora zum ἦχος κράτημα ausgebaut wird, die Tonart des altrömischen Alleluya – Pascha nostrum, das wahrscheinlich zu Hieronymus’ Zeiten aus Jerusalem in den römischen Ritus für das Auferstehungsfest eingeführt wurde. Auf „Petrus“, in mehreren Sprachen etymologisch verbunden mit „Fels“, ist das Fundament der Kirche gebaut: die Orthopraxis (κρυφιογνώστην) der Kleriker und ihre Gedächtniskunst.[43] Für dieses Wort steht hier das Kratīma, um das Unsagbare ohne Worte auszudrücken.

das Stichīron kalophōnikon über τῷ τριττῷ τῆς ἐρωτήσεως

Anmerkungen

35

Nach der Liste von Christian Troelsgård für die MBB hat dieses Stichīron die Nummer 628: A list of Sticheron Call-Numbers of the Standard Abridged Version of the Sticherarion. Part I (The Cycle of the Twelve Months), S. 16.

Die Liste ist als PDF-Datei auf der Seite der Monumenta-Reihe herunterladbar:

http://www.igl.ku.dk/MMB/

Das Organum aus der Handschrift: Rom, Biblioteca Vaticana, Ottob. lat. 3025, fol. 50-50’.

Der Anagrammatismos aus der Handschrift: Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv, Mus. ms. 25059, fol. 757’-759’.

36

Entsprechend der von Elias Canetti entwickelten Philosophie kann die einheitstiftende Rolle von Petrus innerhalb einer „kleinen, rigiden Gruppe“ als wichtiger Teil des „Massenkristalls“ der Jünger studiert werden, „das dazu dient, Massen auszulösen“ (Masse und Macht, Frankfurt/Main 1994; S. 79).

37

Eine genauere Studie der Vigilia zum Petrusfest in der von Cluny beeinflußten Liturgie im Südfrankreich befaßt sich auch mit den gängigen Vulgata-Zitaten aus den Evangelien, die in den Texten der Responsoria paraphrasiert oder kompiliert werdender 3 Nocturnae im Nachtgottesdienst. In meiner Magisterarbeit fand ich eine enge Verbindung zwischen der cluniazensischen und der Pariser Liturgie in der Vigilia zum Petrusfest: Paris, BNF, lat. 748 (weltliche Liturgie von Notre-Dame); BNF lat. 12584, fol. 306 (St.-Maur-des-Fossés); Berlin, Staatsbibliothek, Ms. theolog. lat. qu. 377 (Lektionar aus Süd-Ost-Frankreich).

38

Siehe zweites Kapitel.

39

G. Wolfram (Hg.): Sticherarium Antiquum Vindobonense – Codex theol. gr. 136 Bibliothecae Nationalis Austraicae, Wien 1987; pars suppletoria, S. 19-36.

40

Faksimilie-Ausgabe von L. Perria & J. Raasted in MMB 11, pars suppletoria, S. 1, Anm. 2.

A. Turyn: Dated Greek Manuscripts of the 13th and 14th Centuries in Italy, Urbana etc. 1972, S. 194, T. 252c.

41

in MMB 11, pars suppletoria, S. 11f.

O. Strunk: Melody Construction in Byzantine Chant, (1963); P. Lorenzo Tardo and his «Ottoeco nei mss. melurgici», (1967).

Von Raasted klassifiziert als „Gruppe A,1“. Die einzelnen Gruppen innerhalb der Revision und deren Eingriffe in die Überlieferung des „alten“ Stichīrarion sind nachzulesen in:

J. Raasted: Koukouzeles’ Revision of the Sticherarion and Sinai gr. 1230, in: Festschrift in honor of Laszlo Dobszay's 60th birthday, Hildesheim 1995; S. 261-277.

42

Dieses Modell erläutert Manouīl Chrysaphīs in seiner „Abhandlung zur Gesangskunst“ bei der Behandlung der „Phthora des Tritos“, siehe Zitat im zweiten Kapitel „Das Labyrinth des Oktōīchos“ (Anm. 166).

43

Evangelion nach Matthaios 16:18:

ὅτι σὺ εἶ Πέτρος, καὶ ἐπὶ ταύτῃ τῇ πέτρᾳ οἰκοδομήσω μου τὴν ἐκκλησίαν, καὶ πύλαι ᾅδου οὐ κατισχύσουσιν αὐτῆς.